STREIT 4/2019
S. 190-191
Programm des 46. Feministischen Juristinnentags vom 08. – 10. Mai 2020 in Leipzig
Campus Sportwissenschaften, Jahnallee 59
Freitag 08. Mai
15.00 – 16.15 Uhr:
Einführung in den FJT für Neueinsteiger*innen
RAin Heike von Malottki, Landshut, RAin Anke Stelkens, München
Die Geschichte und Struktur des FJT wird vorgestellt.
16.30 – 18 Uhr:
Einführung: Feministische Debatten im FJT
Selma Gather, FU Berlin, RAin Ronska Grimm, Berlin, Doris Liebscher, HU Berlin
Einführung in feministische Rechtstheorie und -politik, wie sie bei den FJTs z.T. kontrovers diskutiert wurden.
19.00 Uhr:
Eröffnungsveranstaltung: Feministische Visionen und Politiken in Ost und West
Ute Gerhard, Bremen, Ulrike Lembke, HU Berlin, Gabi Zekina, Berlin
Moderation: Zita Küng, Zürich
Die ostdeutsche Frauenbewegung im „Winter der Anarchie“ 1989/90 wollte weder im Realsozialismus verharren noch vom Kapitalismus übernommen werden, sondern konnte sich ganz andere Formen des (politischen) Zusammenlebens vorstellen. Von Frauenbewegungen auf beiden Seiten der Mauer waren seit Jahrzehnten neben konkreten rechtspolitischen Forderungen stets auch feministische Visionen jenseits „des Machbaren“ entwickelt worden. Was ist daraus geworden? Und gibt es heute noch Raum für feministische Visionen und wie könnten diese aussehen?
Samstag 09. Mai
9.00 – 10.30 Uhr: AG Schiene 1
1.1) Brauchen wir ein digitales Anti-Diskriminierungsrecht?
Victoria Guijarro, Uni Münster
Künstliche Intelligenz bzw. algorithmische Systeme treffen nicht per se objektivere Entscheidungen als Menschen Vielmehr perpetuieren sie in der analogen Welt vorgefundene Stereotype und können durch ihren massenhaften Einsatz diskriminierende Strukturen verstärken. Ist das AGG ungeeignet, damit umzugehen oder braucht es ein spezielles Digitales Anti-Diskriminierungsrecht?
1.2) Ressource Zeit im Diskurs um Gleichberechtigung
Alice Bertram, FU Berlin
Die Verteilung von Zeit zwischen den Geschlechtern wirkt sich auf berufliche Chancen von Frauen wie spätere Rentenansprüche aus, aber auch auf die Möglichkeiten zum politischen Engagement. Die Betrachtung von Zeit als Ressource eröffnet eine neue Perspektive auf das Recht.
1.3) Kindesunterhalt – Reformideen
Sigrid Andersen, Berlin
Wir wollen u.a. Vorschläge des VAMV e.V. diskutieren, wie die geplante Reform des Kindesunterhaltsrechts so gestaltet werden kann, dass faire Lösungen für beide Eltern gefunden werden. Wie kann die Arbeitsteilung vor der Trennung in die unterhaltsrechtlichen Folgen einfließen?
1.4) Die Regulation von Reproduktion unter dem NS-Regime und danach
Barbara Degen, Bonn
In der AG geht es um die vielfältigen Regulierungen der NS-Regierung im Bereich der Reproduktion: Es geht um Abtreibungsverbote und Zwangsabtreibungen, Gebärzwang und Zwangssterilisierungen, „Euthanasie“ und medizinische Experimente zu Fragen der Unfruchtbarkeit.
1.5) Rechtsmittel gegen Gewalt in der Geburtshilfe
RAin Christina Gavrić, Berlin
Gegen Menschenrechtsverletzungen im Bereich der Geburtshilfe (dazu www.gerechte-geburt.de) hat das EU-Parlament am 3.10.2019 eine Resolution (Nr. 2306/2019) verabschiedet. In der AG wird es um die Fragen gehen, mit welchen rechtlichen Mitteln Frauen sich gegen das unter der Geburt Erlebte zur Wehr setzen können.
1.6) Gleichstellungsarbeit an Hochschulen
Doris Hayn, Nina Gülcher, beide Uni Göttingen
In der AG geht es um die Bedeutung und Wirkungsmöglichkeiten von Gleichstellungsarbeit an Hochschulen sowie Veränderungen der Gleichstellungsarbeit in Folge der Hochschulreformen und aktuelle Verbesserungsbedarfe. Es wird der Frage nachgegangen, wie sich Hochschulangehörige verschiedener Statusgruppen für Gleichstellung und Chancengleichheit einsetzen können.
1.7) Feminismus, Klimawandel und (strategische)
Prozessführung
Ida Westphal, Berlin und Helya Gieseler, HU Berlin
Wir wollen in diesem Workshop gemeinsam der Frage nachgehen, wie Klimaklagen für den Erhalt der Lebensgrundlagen und die gesellschaftliche Teilhabe von Frauen von Nutzen sein können.
11.00 – 13.00 Uhr: Foren
I. Feministische Anwältinnen
RAin Friederike Boll, Frankfurt/Main, RAin Malin Bode, Bochum, RAin Ina Feige, Leipzig
Moderation: RAin Petra Haubner, Passau
In diesem Forum werden Anwältinnen mit verschiedenen Tätigkeitsschwerpunkten und aus verschiedenen Generationen ihre Erfahrungen schildern. Diskutiert wird: Warum brauchen wir feministische Anwältinnen? Können wir als Anwältinnen „feministischer“ arbeiten als in anderen Berufen? Warum sind Anwältinnen die Basis des FJT?
II. Digitale Gewalt gegen Frauen*
Renate Künast, Berlin (angefragt), RAin Josephine Ballon, Berlin, OStA Ines Karl, Berlin
Moderation: Luisa Weigert, Berlin
Die Justizministerin hat vorgeschlagen, Beleidigungsdelikte zu Offizialdelikten zu machen und soziale Netzwerke zu verpflichten, Hasskommentare an die StA zu melden. Aber wenn Hate Speech von Gerichten als zulässige Meinungsäußerung begriffen wird, greift auch das NetzDG nicht. Wie könnte ein digitales Gewaltschutzgesetz aussehen?
Forum 3
III. Reproduktive „Autonomie“: Reproduktionsmedizin – und gesellschaftliche Realität
Sigrid Graumann, FH Dortmund, Friederike Wapler, Uni Mainz, Caroline Voithofer, Uni Innsbruck
Moderation: Anna Hochreuter, Berlin
Auf den ersten Blick beseitigt Reproduktionsmedizin biologische Hindernisse oder Nachteile: Ein eigenes Kind ohne Mann, ein gesundes Kind, Eizellen für später, wenn Zeit ist für ein Kind, ein eigenes Kind auch in höherem Alter? Andererseits ist die Reproduktionsmedizin ein gigantisches Geschäftsfeld. Im Kapitalismus heißt das auch: ein neues Angebot schafft Nachfrage, neue Optionen verlangen neue Entscheidungen. Wie frei können Frauen in diesen Fragen angesichts der gesellschaftlichen Realitäten wirklich entscheiden?
IV. Das ILO Übereinkommen 190 – gegen Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt
Reingard Zimmer, HWR Berlin, Sandra Konstatzky, Wien
Moderation: Doris Liebscher, HU Berlin
Am 21.06.2019 wurde von der ILO ein Übereinkommen gegen Gewalt und Belästigung in der Arbeitswelt verabschiedet. Die Konvention leistet einen weitreichenden Schutz am Arbeitsplatz, z.B. auch bei Dienstreisen oder arbeitsplatzbezogenen Veranstaltungen sowie zum Zweck der Aufklärung von gewalt- und belästigungsbezogenen Vorfällen, und unterschiedliche Untersuchungs- und Abhilfemaßnahmen. Welche länderübergreifenden Umsetzungsnotwendigkeiten braucht es?
14.30 – 16.00 Uhr: AG Schiene 2
2.1) Familienrecht in Ost und West: Erfahrungen mit der Wende
RAin Susanne Pötz-Neuburger im Gespräch mit RiFamG Ina Thieme, Leipzig
Wie war die Rechtslage für Frauen in der DDR, welche Hoffnungen und Befürchtungen gab es in der Wendezeit für Frauen in der DDR/den neuen Bundesländern?
2.2) Das brandenburgische Paritégesetz vor dem Verfassungsgericht
Jelena von Achenbach, Uni Gießen
Für den brandenburgischen Landtag soll 2020 erstmals ein Paritégesetz in Kraft treten, welches paritätische Landeslisten vorsieht. Dagegen wurde Klage eingereicht. Die Prozessbevollmächtigte des Landes stellt die verfassungsrechtliche Argumentation zur Verteidigung des Gesetzes dar.
2.3) 24-Stunden-Betreuung durch ausländische Pflegekräfte
Barbara Bucher, Berlin
Um die Nachfrage nach einer 24-Stunden-Betreuung im häuslichen Umfeld zu bedienen, ist ein grenzüberschreitender Arbeits- und Dienstleistungsmarkt entstanden. Diskutiert wird, was juristisch getan werden kann, um die rechtliche Grauzone in diesem Bereich rechtssicher zu gestalten.
2.4) Neuregelung des Abstammungsrechts
RAin Irene Schmitt, München
Die Ehefrau der gebärenden Mutter muss sich bis heute der langwierigen Prozedur der Stiefkindadoption unterziehen. Wenn ein privater Samenspender involviert war, ist auch seine Rolle in der Elternschaft zu evaluieren. Ein Diskussionsteilentwurf des BMJ wirft weitergehende Fragen auf.
2.5) Recht auf Gesundheit – Versorgung mit Verhütungsmitteln
Susanne Dern, HS Fulda, Maria Wersig, FH Dortmund
Die Kosten von Verhütungsmitteln sind über die gesetzliche KV nur für Frauen bis 22 Jahre abgedeckt, danach ist es für viele schwer, diese zu finanzieren. Reformoptionen sollen in der AG diskutiert und menschenrechtlich eingeordnet werden.
2.6) Geschlecht in der Strafverteidigung
RAin Ilka Quirling, Hamburg
Zwischen Mama und female Macho: aus der Erfahrung mit Strafverteidigungen wird die Frage zur Diskussion gestellt, welchen Zuschreibungen wir als Strafverteidiger*innen im und um den Strafgerichtssaal ausgesetzt sind. Gibt es legitime Strategien, uns diese nutzbar zu machen?
2.7) Feministische Beschwerden beim EGMR
Ri OLG Petra Volke, Köln
Die Hemmschwellen für eine Beschwerdeerhebung an den EGMR sollen verringert werden. Der Ablauf des Verfahrens wird erläutert und es werden feministische/frauen*spezifische Themengebiete besprochen, in denen es besonders Sinn machen würde, sich an den EGMR zu wenden.
Sonntag 10. Mai
10.00 – 11.30 Uhr: Workshops, Fishbowl, Open Space
1. Wie gründe ich ein feministisches Anwältinnen*Kollektiv?
RAin Katharina Gruber und RAin Sarah Giese, Hamburg
Der Workshop gibt Einblick in die Voraussetzungen der Gründung und Führung einer feministischen Rechtsanwaltskanzlei in Form eines Kollektivs. Vorüberlegungen, der Berufsalltag, Fragen zur Außendarstellung und zur Möglichkeit Geld zu verdienen werden erörtert.
2. Was tun bei Angriffen im Netz?
RAin Josephine Ballon, Berlin
Welche Optionen bestehen, wenn wir selbst im Netz angegriffen werden: Dem Angreifer antworten, ihn direkt bei den sozialen Netzwerken melden oder lieber nur blockieren? Was ist bei einer Anzeige zu beachten?
3. Intersektionalität im (jur.) Alltag erfahren
Sarah Elsuni, Frankfurt University of Applied Sciences
Die Teilnehmerinnen sollen anhand von Texten und Übungen erfahren, was Intersektionalität bedeutet, und Methoden kennenlernen, wie wir intersektionale Problemlagen bei unserer juristischen Arbeit erkennen und mitdenken können.
4. Fishbowl: Kapitalismuskritik, Feminismus, soziale Ungleichheit
Impuls: Juliane Mendelsohn, FU Berlin
Die Fishbowl lädt dazu ein, gemeinsam darüber nachzudenken, was das Unwissen über Volatilität, die Gefahren privater Macht und die Schwierigkeit, Risiken und Verluste (an Zeit, an Autonomie, an Privatsphäre, an Daten) gegen die Nutzen des digitalen Kapitalismus abzuwägen, mit dem Menschen macht. Welche Abwägungen und normativen Grundsatzentscheidungen kann das Recht treffen?
5. Open space: Austausch + Vernetzung
z.B. für Promovierende (wie kann man feministisch promovieren?), z.B. für Aktive im Migrationsrecht.
12.00 – 14.00 Uhr Abschlussplenum
Informationen und Kontakt unter:
www.feministischer-juristinnentag.de
Die Anmeldung ist zwischen dem 1. und 8. März möglich.