STREIT 2/2017
S. 69-72
OLG Koblenz, § 1684 Abs. 3 und 4 BGB, Art 1, 2 und 6 Abs. 2 GG
Beachtlichkeit des nicht autonomen Kindeswillens im Umgangsstreit
1. Ein gegen den ernsthaften Widerstand des Kindes erzwungener Umgang kann durch die Erfahrung der Missachtung der eigenen Persönlichkeit bei dem Kind größeren Schaden verursachen als Nutzen.
2. Bei der Bestellung eines Umgangspflegers darf diesem nicht die Befugnis überlassen werden, über die Häufigkeit und die Dauer der Umgangskontakte zu befinden.
(Leitsätze der Redaktion)
OLG Koblenz, Beschluss vom 30.12.2015, 13 UF 503/15,
Aus den Gründen
I.
Der Antragsteller ist der Vater des am …2006 nichtehelich geborenen Kindes M. Die elterliche Sorge steht der Mutter alleine zu. Die Kindeseltern trennten sich kurze Zeit nach M.s Geburt. Nach der Trennung der Eltern besuchte der Antragsteller M. regelmäßig jedes Wochenende in der Wohnung der Kindesmutter in Anwesenheit dieser.
Die Kindesmutter lebt inzwischen mit einem neuen Lebensgefährten zusammen. Seit Ende 2013/Anfang 2014 sah der Antragsteller sein Kind weniger häufig, bis er es Mitte 2014 das letzte Mal sah. In der Folgezeit fand der Umgang mit der Begründung nicht mehr statt, dass M. keine Lust auf ihren Vater habe und ihn nicht mehr sehen wolle. Hierauf hat der Antragsteller vor dem Familiengericht die Einräumung eines vierzehntägigen Umgangs am Wochenende, nach einer kurzen Übergangfrist auch mit Übernachtung, beantragt. Die Antragsgegnerin ist dem entgegen getreten und hat sich auf das fehlende Interesse des Kindes an seinem Vater, eine fehlende tragfähige Vater-Kind-Beziehung sowie darauf berufen, dass der aus Cuba stammende Antragsteller M. entführen könne.
Das Familiengericht hat dem Kind einen Verfahrensbeistand bestellt, Eltern und Kind angehört sowie eine Stellungnahme des Jugendamts und ein Sachverständigengutachten eingeholt. Anschließend hat es mit Beschluss vom 01.07.2015 eine bis zum 31.12.2015 befristete Umgangspflegschaft mit dem Wirkungskreis „Organisation und Durchführung des Umgangs des Kindes mit dem Kindesvater sowie die Bestimmung der Umgangsmodalitäten“ angeordnet.
Zur Begründung hat es ausgeführt, dass M. den Umgang mit ihrem Vater verweigere. Ursache hierfür sei nach dem eingeholten Sachverständigengutachten, dass sich das Kind in einem Loyalitätskonflikt zwischen seinen Eltern befinde. Diesen versuche M. gegen ihre eigentlichen wohlverstandenen Interessen durch einen Kontaktabbruch zum Vater zu lösen. Dabei habe M. jedoch durchaus eine positive, wenn auch nicht stark ausgeprägte Bindung zu ihrem Vater und könne nur in der Auseinandersetzung mit beiden Elternteilen ihre Persönlichkeit gut entwickeln. Ein Kontaktabbruch zum Vater diene daher nicht dem Kindeswohl. Die Kindeseltern seien hingegen nicht in der Lage, dem Kind ein positives Bild des Umgangs zu vermitteln und einen sinnvollen Umgang herbeizuführen. Damit verletzten sie dauerhaft ihre Pflicht nach § 1684 Abs. 2 BGB, was die Einsetzung eines Umgangspflegers rechtfertige.
Gegen diese Entscheidung wendet sich die Kindesmutter mit ihrer Beschwerde. Mit dieser begehrt sie nun ausdrücklich, den Umgang für ein Jahr auszusetzen. Sie beruft sich dabei auf die gescheiterten Versuche sowohl des erstinstanzlich eingesetzten Verfahrensbeistands als auch der Umgangspflegerin, eine Begegnung zwischen Kind und Vater zu arrangieren. Trotz entsprechender Bemühungen seitens der Kindesmutter und ihres neuen Lebensgefährten wolle M. ihren Vater nicht sehen, sondern von ihm in Ruhe gelassen werden. Diesem in den letzten 1½ Jahren stets klar geäußerten und angesichts M.s Alter beachtlichen Willen des Kindes habe die Sachverständige zu wenig Beachtung geschenkt. Ein erzwungener Kontakt werde die Abwehrhaltung des Kindes noch mehr verstärken. Daher sei es erforderlich, den Umgang für die Dauer eines Jahres auszuschließen, um M. zur Ruhe kommen zu lassen. Der Antragsgegner tritt einem Umgangsausschluss entgegen. […]
II.
Das in verfahrensrechtlicher Hinsicht (§§ 58 ff. FamFG) nicht zu beanstandende Rechtsmittel hat auch in der Sache weitgehend Erfolg. Der Umgang zwischen Kind und Vater war zeitlich befristet auszuschließen, da andernfalls das Wohl M.s erheblich gefährdet wäre. Allerdings waren dem Kindesvater ein brieflicher Kontakt sowie die Zusendung von Geschenken zu Weihnachten und zum Geburtstag zu gestatten.
1. […] Von einer erneuten Erörterung bzw. persönlichen Befragung der Beteiligten sind keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten, zumal auch alle Beteiligten von der über längere Zeit geäußerten Ablehnung eines Umgangs ausgehen. Lediglich in der rechtlichen Bewertung dieser Haltung des Kindes gibt es Unterschiede. Auch eine Anhörung der erstinstanzlich bestellten Sachverständigen war schließlich nicht erforderlich.
2. In der Sache kann die angefochtene Entscheidung bereits deshalb keinen Bestand haben, weil eine verfahrensfehlerhaft erlassene unzulässige (verdeckte) Teilentscheidung vorliegt. Das Familiengericht hat einen Umgangspfleger bestellt, ohne zuvor oder zugleich den Umgang des Antragstellers mit dem Kind konkret zu regeln. Fehlt es aber – wie hier – an einer solchen Umgangsfestlegung, liegt ein unstatthaftes Teilerkenntnis vor. Der Umgangspfleger ist gemäß § 1684 Abs. 3 Satz 4 BGB zwar berechtigt, bei Meinungsverschiedenheiten der Eltern über die Umgangsmodalitäten, insbesondere über den Ort des Umgangs, den Ort der Übergabe und erforderliche Nachholtermine zu entscheiden. Das schließt jedoch nicht die Befugnis ein, auch über die Häufigkeit und die Dauer der Umgangskontakte zu befinden. […]
Der Senat sieht vorliegend jedoch davon ab, die angefochtene Entscheidung aufgrund dieses Verfahrensfehlers lediglich aufzuheben und das Umgangsverfahren entsprechend § 69 Abs. 1 Satz 2 FamFG zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Familiengericht zurückzuverweisen. Denn die Angelegenheit ist entscheidungsreif.
3. Zur Abwendung einer ganz erheblichen Gefahr für das Wohl des betroffenen Kindes ist es vorliegend erforderlich, dem Wunsch des Antragstellers nach einem persönlichen Umgang nicht zu entsprechen, sondern dem Kindeswillen den Vorzug zu geben, § 1684 Abs. 4 BGB. M. wünscht, von ihrem Vater in Ruhe gelassen zu werden. […]
b) […] Können sich die Eltern über die Ausübung des Umgangs nicht einigen, haben die Gerichte die Entscheidung zu treffen, die sowohl die beiderseitigen Grundrechtspositionen der Eltern als auch das Wohl des Kindes berücksichtigt. Eine Versagung des Umgangs ist nur zulässig, wenn anderenfalls das Wohl des Kindes gefährdet wäre und dem durch andere Maßnahmen nicht wirksam begegnet werden könnte (vgl. BVerfG FamRZ 2006; 1005, 2005, 1057 und 2007, 105).
Im Rahmen dieser gebotenen Abwägung ist auch je nach Reife und Verständnis der Wille des Kindes zu beachten. Denn die eigene Willensbildung ist Ausdruck der Individualität und Persönlichkeit des Kindes, die ihrerseits dem grundrechtlichen Schutz nach Art. 1, 2 GG unterliegen. Zur Persönlichkeitsentwicklung gehört auch, dass der wachsenden Fähigkeit eines Kindes zu eigener Willensbildung und selbstständigem Handeln Rechnung getragen wird, das Kind dies erfährt und sich so zu einer eigenverantwortlichen und gemeinschaftsfähigen Persönlichkeit entwickeln kann (vgl. BVerfG FamRZ 2008, 1737). Dies gilt umso stärker, je älter und damit reifer das Kind ist.
Folglich ist auch der Wille des Kindes, keinen Umgang haben zu wollen, zu beachten. Denn ein gegen den ernsthaften Widerstand des Kindes erzwungener Umgang kann durch die Erfahrung der Missachtung der eigenen Persönlichkeit bei dem Kind größeren Schaden verursachen als Nutzen. Eine Disqualifizierung eines sonach an sich beachtenswerten Kindeswillens ist daher lediglich dann gerechtfertigt, wenn manipulierte Äußerungen des Kindes den wirklichen Bindungsverhältnissen nicht entsprechen und die Nichtbefolgung des Kindeswillens ihrerseits nicht wiederum zu seiner Kindeswohlgefährdung führt (vgl. BVerfG FamRZ 2005, 1057 und FamRZ 2001, 1057 sowie KG FamRZ 2013, 709 und Senatsbeschluss vom 24.07.2013 – 13 UF 200/13).
c) M. hat sich seit nunmehr rund zwei Jahren sowohl gegenüber dem Jugendamt, dem Familiengericht als auch gegenüber ihrem Verfahrensbeistand, der erstinstanzlich bestellten Sachverständigen und schließlich zuletzt gegenüber der vom Familiengericht eingesetzten Umgangspflegerin durchweg gegen einen Umgang mit ihrem Vater ausgesprochen. Dabei hat sich ihre ablehnende Haltung mit Fortdauer des Gerichtsverfahrens stetig verstärkt und verfestigt. Im Ergebnis spricht sie sich aktuell sogar gegen einen jedweden Kontakt zum Antragsteller aus.
M. ist jetzt 9 ½ Jahre alt. Sie befindet sich damit in einem Alter, in dem Kinder zu einer eigenen Willensbildung fähig sind und es grundsätzlich verdienen, dass ihre Vorstellungen und Wünsche beachtet werden. Der geäußerte Wille erfüllt nach der Überzeugung des Senats auch weitgehend die Kriterien, die für einen beachtlichen Kindeswillen maßgeblich sind. Erforderlich ist insoweit, dass der Wille autonom, intensiv, stabil, ernsthaft und zielorientiert ist (vgl. KG FamRZ 2013, 709 m.w.Nw. sowie Senatsbeschluss vom 24.07.2013 – 13 UF 200/13).
Kennzeichnend für einen autonomen Willen ist, dass er Ausdruck der eigenen Bedürfnisse und nicht nur Reaktion auf die – ggfls. auch nur vermeintlichen – Wünsche eines Elternteils ist. Auch muss das Kind eine bestimmte Vorstellung von den Folgen seines Wunsches haben. Ein stabiler, ernsthafter und zielgerichteter Wille setzt voraus, dass eine Willenstendenz über eine gewisse Zeit, auch unter unterschiedlichen Umständen, beibehalten wird. Intensiv ist der Wille, wenn er Ausdruck eines Herzenswunsches, d. h. dem Kind wichtig ist (vgl. KG FamRZ 2013, 709 sowie Senatsbeschluss vom 24.07.2013 – 13 UF 200/13).
aa) M. lehnt ein persönliches Zusammentreffen mit ihrem Vater nunmehr über mehrere Jahre hinweg kategorisch ab und hat dies – wie oben ausgeführt – auch immer wieder verbal geäußert sowie ebenfalls durch ihr Verhalten bei versuchten Kontaktaufnahmen, z.B. mit Hilfe des Verfahrensbeistands am 19.12.2014 in einem Schnellrestaurant, unmissverständlich demonstriert. Seine Verweigerungshaltung hat das Kind im Wesentlichen stets nachhaltig mit Desinteresse am Vater sowie damit begründet, dass seine Mutter und deren neuer Lebensgefährte jetzt seine neue Familie seien, so dass für den Antragsteller kein Platz sei. Der aktuell geäußerte Kindeswille ist somit ernsthaft, stabil, intensiv und zielorientiert.
bb) Der Senat geht allerdings mit der Sachverständigen davon aus, dass die von M. geäußerte Ablehnung ihrem Vater gegenüber die Folge einer mütterlichen Einflussnahme und somit nicht ihr autonomer Wille ist. Zwar hat die Kindesmutter durchaus an den unternommenen Versuchen der Wiederanbahnung des Kontakts zwischen Kind und Vater mitgewirkt. Auch kann nicht (sicher) festgestellt werden, dass sie sich vor dem Kind offen gegen einen Umgang mit dem Antragsteller ausgesprochen hat. Jedoch hat die Gutachterin herausgearbeitet, dass die Kindesmutter den starken Wunsch nach einem neuen Familienleben mit ihrem neuen Lebensgefährten und M. hat. Hier würde der Antragsteller nur stören, was die Kindesmutter gegenüber M. – möglicherweise unbewusst jedoch deutlich – signalisiert.
Diese Schlussfolgerung der Sachverständigen wird in den Äußerungen des Kindes bzw. seinem Verhalten bei dem Familiengericht, seinem Verfahrensbeistand und der Umgangspflegerin bestätigt. M. konnte jeweils keinen nachvollziehbaren Grund für die von ihr gezeigte massive Angst vor ihrem Vater angeben. Allein der Umstand, dass sie sich bei den Besuchen in der Vergangenheit eher gelangweilt habe, mag eine gewisse Unlust zu erklären, nicht jedoch die fast traumatische Züge annehmende Angst oder ihr Weinen bei dem Kontaktaufnahmeversuch am 19.12.2014. Gegenüber der Umgangspflegerin hat M. sodann auch klar zu verstehen gegeben, dass sie mit dem Lebensgefährtin ihrer Mutter einen neuen Vater und eine neue Familie habe, so dass sie den Antragsteller nicht mehr benötige. Damit hat M. die Haltung ihrer Mutter verinnerlicht.
Die Ablehnung des Antragstellers beruht folglich primär auf einem Loyalitätskonflikt des Kindes gegenüber seiner Mutter. Letztere ist wiederum nicht in der Lage oder nicht gewillt, dem entgegen zu wirken. M. verspürt den starken Wunsch ihrer Mutter nach einem neuen Familienleben, identifiziert sich aus Solidarität mit ihrer Mutter und lehnt in der Folge den Antragsteller als denjenigen, für den in der neuen Familie kein Platz ist und der dieses „neue Glück“ als Erinnerung an die Vergangenheit nur stören würde, kategorisch ab.
cc) Obgleich damit zugunsten des Antragstellers davon ausgegangen werden kann, dass M.s Wille nicht Ausfluss eines autonomen Kindeswillens ist, kommt vorliegend ein erzwungener persönlicher Kontakt, selbst nur in begleiteter Art, nicht in Betracht.
M. hat wiederholt gezeigt, dass sie sich mit Händen und Füßen gegen einen Umgang mit dem Antragsteller wehren würde. Als ein solcher am 19.12.2014 im Beisein des Verfahrensbeistands dennoch versucht wurde, war das Kind überaus angespannt, traurig und ängstlich. Es setze sich sodann nur widerwillig mit dem Antragsteller an einen Tisch, sprach kaum und verweigerte – obgleich man sich in einem bei Kindern beliebten Schnellrestaurant befand – jedwedes Essen und Getränk. Anschließend vergrub M. ihr Gesicht unter ihrer Jacke, antwortete auf keine einzige Frage des Antragstellers und begann zu weinen sowie wiederholte mehrfach, dass sie nicht mehr wolle.
An dieser Einstellung hat sich bis heute, auch trotz der zuletzt nochmal umfangreichen Bemühungen der Umgangspflegerin, nichts geändert. Ein erzwungener persönlicher Kontakt, auch in begleiteter Form, würde somit jedes Mal bereits im Vorfeld zu einer starken Belastung und Verängstigung des Kindes mit der hohen Gefahr einer (endgültigen) Traumatisierung führen. Die Umgangspflegerin sieht M. folglich aktuell unter einem hohen Druck, dem das Kind nicht gewachsen ist.
dd) Dem Erfolg der Beschwerde der Kindesmutter stehen auch nicht die Ausführungen der Sachverständigen entgegen. Danach hat M. durchaus eine positive, wenn auch nicht stark ausgeprägte Bindung zu ihrem Vater und könne nur in der Auseinandersetzung mit beiden Elternteilen ihre Persönlichkeit gut entwickeln. Kontakte zwischen Kind und Vater könnten durchaus unbelastet erfolgen, wenn M. die emotionale Erlaubnis ihrer Mutter hierzu erfahren würde.
Auch die Gutachterin hat jedoch die starke emotionale Belastung des Kindes in Bezug auf das Thema eines Kontakts mit dem Antragsteller herausgearbeitet. Zugleich hat sie festgestellt, dass die Kindesmutter nicht in der Lage sei, diese Last von M.s Schultern zu nehmen und das Kind damit aus dem oben beschriebenen Loyalitätskonflikt zu befreien. Dementsprechend hat die Sachverständige eine gerichtliche Festlegung der Umgangskontakte vorgeschlagen. Dabei ging sie davon aus, dass das Kind den Umgang dann ohne Rechtfertigungszwang seiner Mutter gegenüber erleben könne.
Die ausführlichen Stellungnahmen der vom Familiengericht daraufhin eingesetzten Umgangspflegerin zeigen jedoch, dass sich die Einschätzung bzw. Prognose der Gutachterin – leider – nicht bewahrheitet haben. Auch die Festlegung eines Umgangs von dritter Seite hat an M.s Situation nichts geändert. Seit nunmehr rund eineinhalb Jahren wurde damit alles erdenklich realistisch Mögliche versucht. Dennoch befindet sich M. weiterhin in dem ihre kategorische Weigerungshaltung hervorrufenden Loyalitätskonflikt ihrer Mutter gegenüber. Das Kind müsste mit Gewalt zum Umgang mit dem Antragsteller gezwungen werden.
ee) Ein Umgang zwischen Kind und leiblichem Vater setzt vorliegend somit die Auflösung des beschriebenen Loyalitätskonflikts voraus. Da M. hierzu aufgrund ihres Alters noch nicht selbst in der Lage ist, obliegt dies primär der sorgeberechtigten und das Kind betreuenden Kindesmutter. Wie die Vergangenheit jedoch gezeigt hat, ist die Kindesmutter hierzu nicht in der Lage oder nicht bereit. Dabei geht auch der Senat mit dem Antragsteller davon aus, dass diese Situation und dieses Verhalten der Kindesmutter nicht kindeswohldienlich sind.
Ein Umgang von M. mit dem Antragsteller ließe sich damit momentan aber allenfalls nach einer völligen Herausnahme des Kindes aus dem Haushalt der Kindesmutter, und auch dann nur möglicherweise, bewerkstelligen. Ob durch die Trennung des Kindes von seiner Mutter aber tatsächlich ein Umgang mit dem Antragsteller wieder angebahnt werden kann, ist gleichwohl keinesfalls sicher. Vor allem aber würde eine Trennung aufgrund der engen Bindungen von M. zu ihrer Mutter als wichtigste Bezugsperson die naheliegende Gefahr einer nachhaltigen schweren Traumatisierung des Kindes mit sich bringen. Eine solche Traumatisierung müsste sodann zunächst aufgefangen werden, bis überhaupt an den Versuch einer Kontaktanbahnung zwischen Kind und Vater gedacht werden könnte.
Eine Trennung von Kind und Mutter zwecks Ermöglichung des Versuchs der Wiederherstellung des Kontakts des Kindes zu seinem Vater würde damit – nicht zuletzt angesichts des Alters des Kindes – zu einer noch größeren Gefahr für das Wohl M.s führen als ein fehlender Kontakt zum leiblichen Vater. Eine solche Maßnahme wäre unverhältnismäßig i.S. der §§ 1666, 1666a BGB und ist somit unzulässig. Das Elternrecht des Antragstellers auf Umgang mit seinem Kind (Art. 6 GG, §§ 1626 Abs. 3, 1684 BGB) muss hier folglich bei einer einzelfallbezogenen Abwägung mit dem Persönlichkeitsrecht des betroffenen Kindes (Art. 1, 2 GG) und dem Elternrecht der Kindesmutter (Art. 6 GG, § 1626 Abs. 1 BGB) zurücktreten.
d) Ein Umgang zwischen Kind und Vater kann daher aus Kindeswohlgesichtspunkten derzeit nicht stattfinden. Um M. die von ihr diesbezüglich benötigte Sicherheit zu geben und zur Ruhe kommen zu lassen, ist der Umgang gemäß § 1684 Abs. 4 Satz 1 und 2 BGB für eine angemessene Zeitdauer auszuschließen. Dabei erachtet der Senat einen Zeitraum von einem Jahr als sachgerecht und kindeswohlerforderlich. M. wird bis dahin eine nicht unerhebliche weitere Entwicklung genommen haben, um ggfls. selbst autonom entscheiden zu können, ob sie ihren leiblichen Vater wieder sehen möchte oder nicht.
Um dem Kindesvater allerdings – trotz seines von der Umgangspflegerin geschilderten ambivalenten Verhaltens (Bl. 231 f. d.A.) – die Möglichkeit zu geben, den Kontakt nicht völlig abbrechen zu lassen und sein fortbestehendes Interesse an M. zu zeigen, war diesem ein Briefkontakt sowie die Übersendung von Geschenken im tenorierten Umfang zu gestatten. Demgegenüber kommt eine entsprechende Verpflichtung der Kindesmutter im Rahmen von § 1684 BGB nicht in Betracht. M. selbst wiederum kann aus den o.g. Gründen auch hierzu nicht gezwungen werden. Soweit der Antragsteller Auskunft über M. nicht anderweitig erhalten kann, müsste er daher nach § 1686 BGB an die Kindesmutter herantreten.
e) Einer ergänzenden Befragung der erstinstanzlich bestellten Sachverständigen durch den Senat bedurfte es entgegen der Ansicht des Antragstellers nicht. […] Ebenso wenig kam ein weiterer Vermittlungsversuch durch den Senat in Betracht. […] Aufgrund der enormen Belastungssituation, in der sich das Kind befindet, wenn es um die Frage nach einem Kontakt zu seinem Vater geht, erachtet der Senat eine nochmalige Anhörung des Kindes hier überdies als kindeswohlschädlich i.S. des § 159 Abs. 3 Satz 1 FamFG. Nach alledem war der amtsgerichtliche Beschluss wie tenoriert abzuändern.